Clara Pagel

2/7/2024

Künstliche Intelligenz und Videokonferenzen in der Justiz

KI und Videokonferenzen in der Justiz?

Technologie
Videokonferenz im Gerichtssaal

In den vergangenen Jahren wurde in der EU-Kommission immer wieder die Nutzung Künstlicher Intelligenz und Umsetzung eines KI-Gesetzes diskutiert. Im Dezember 2023 konnte diesbezüglich auf europäischer Ebene eine Einigung über ein KI-Gesetz der EU erzielt werden. Das KI-Gesetz wäre das erste Gesetz über künstliche Intelligenz, das die Entwicklung, den Einsatz und die Einführung vertrauenswürdiger KI in der EU unterstützen soll. Auch auf Bundesebene wird rege über Grenzen und Regulierungsmöglichkeiten eines solchen Gesetzes diskutiert, zuletzt beim Digital-Gipfel der Bundesregierung im Dezember 2023.

Nun fand am 22. Januar 2024 der 20. Finanzgerichtstag in Köln statt, der Richtern, Politikern, der Verwaltung und Beratern eine Plattform zum Austausch, vor allem steuerrechtspolitischer Themen bot. Bei diesem wurde unter anderem über den im August 2023 veröffentlichte Gesetzentwurf zu Videoverhandlungen und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz diskutiert. Insbesondere ging es dabei um eine Entscheidungen des BFH, die besondere Voraussetzungen für die Umsetzung von Videoverhandlungen vorsieht.

Zwischen Skepsis und Kritik an der Digitalisierung der Justiz, gibt es zunehmend befürwortende Stimmen aus der Politik und Gerichtsbarkeit.

Der Bundesfinanzhof hatte 2023 in zwei umstrittenen Entscheidungen beschlossen, dass bei Videoverhandlungen alle Beteiligten zu sehen sein müssen, um auszuschließen, dass keiner der Beteiligten - etwa Richter:innen - schliefen (BFH, Beschluss v. 30.06.2023, Az. VB 13/22). Aus dieser Entscheidung erging eine hitzige Diskussion, ob darauf geschlossen werden dürfe, ein Richter würde schlafen, wenn dieser nicht auf dem Video zu sehen sei. Eine solche Schlussfolgerung wirft die Frage auf, ob der gerichtlichen Entscheidung ein absoluter Aufhebungsgrund zugrunde liegt, oder die Beteiligten eine solche Videoeinstellung explizit rügen müssten. Um eine Aufhebung oder Rüge später auszuschließen, wird - eher umständlich - in den Verhandlungsprotokollen festgehalten, dass alle Richter:innen in der Videoverhandlung zu sehen waren.

Nur zwei Monate später beschloss der Bundesfinanzhof, dass in Videoverhandlungen alle Beteiligten und zeitgleich die mitwirkenden Richter:innen zu sehen sein müssen. Diese Anforderung werde nicht erfüllt, wenn ein Beteiligter zwar zeitgleich mit den Richter:innen in einem Raum säße, die per Video zugeschalteten anderen Beteiligten aber auf einem hinter dem Beteiligten angebrachten Bildschirm zu sehen sei, sodass er sich um 180-Grad drehen müsse. (BFH, Beschluss vom 18.08.2023, Az. IX B 104/22)

Der Präsident des Bundesfinanzhofes, Dr. Thesling, stellte nunmehr auf dem Finanzgerichtstag eine bundesweite digitale Aktenführung, rein elektronische Korrespondenz zwischen Juristen und vielen Videoverhandlungen in Aussicht. Die Finanzgerichtsbarkeit habe schon große Schritte bei der Digitalisierung gemacht, so Dr. Thesling, die jedoch noch weiter in Richtung E-Steuerakte gehen müsse. Bereits über die Hälfte der Verhandlungen am BFH seien im Jahr 2023 per Video abgehalten worden, Tendenz steigend, so der Präsident.

Videoverhandlungen stellen eine ressourcensparende, finanziell günstigere Verfahrensmöglichkeit dar, die besonders bürgerfreundlich sind und die Digitalisierung der deutschen Justiz auf einen modernen Standard heben können.

Der Justizminister Nordrhein-Westfalens, Dr. Limbach, halte es für möglich, dass Videoverhandlungen künftig zum Standard gehören könnten, kritisierte indes, dass die bisherigen gesetzlichen Regelungen und auch der Gesetzentwurf über Videoverhandlungen derzeitig nicht den Anforderungen dafür nicht genügen würden. Dr. Limbach äußerte auch Bedenken, dass Videoverhandlungen zum Regelfall werden und auf Anregung eines Beteiligten angeordnet werden sollten , statt - wie der Gesetzesentwurf dies vorsieht - auch von Richter:innen angeordnet werden können.

Dazu gehöre nach dem Richter des BFH, Dr. Trossen, die Nutzung eines einheitliches Videosystem, auf das sich die Länder geeinigt haben.

"In tatsächlicher Hinsicht", sagt Trossen, "werden wir nie die gleiche Qualität bekommen wie bei Präsenzverhandlungen". Das liege in der Natur der Sache. Doch auch er ist zuversichtlich: In rechtlicher Hinsicht werde sich an der Qualität nichts ändern.

Dass Künstliche Intelligenz auch in der Anwaltschaft Fuß gefasst hat, zeigt sich zunehmend. Beginnend bei Schreiben, die über ChatGPT generiert und entsprechend den Wünschen etwa besonders höflich oder aber umgangssprachlich nachformuliert werden können, hin zu Vorentscheidungen und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen durch KI, bietet die Zukunft große Möglichkeiten.

Rechtsanwalt Stefan Groß gab in einem Artikel von LTO einen Einblick in die Möglichkeiten von KI:

Zwar mangele es derzeit an für KI verwendbare Inhalte und Quellenangaben, Rechtsanwalt Groß habe aber in einer eigenen Anwendung ChatGPT4 mit einem Kommentar nach den „Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung“ (GoBD) kombiniert. Künftig - so der Anwalt - ermögliche KI, Gutachten und Schriftsätze einfach zu erstellen, Literatur und Rechtsprechung zusammenfassen zu lassen oder ganze Sachverhalte zu ermittelt.

Dass eine fortschrittlichere Digitalisierung unmittelbar bevorsteht, geht nun auch aus der Mitteilung des Bundesdigitalministers, Dr. Wissing, vom 30.01.2024 hervor. Danach habe nun auch Deutschland seine Zustimmung zu dem von er EU geplanten KI-Gesetz erteilt.

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